Bis der letzte Ton verklingt by MacAlindin Paul

Bis der letzte Ton verklingt by MacAlindin Paul

Autor:MacAlindin, Paul
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne HC
veröffentlicht: 2016-12-04T16:00:00+00:00


13

Glorreiche Heimkehr

Wenn unser Leben aus den Fugen gerät, verbringen wir oft viele Jahre mit dem Versuch zu retten, was nicht zu retten ist. Anständigen Menschen widerfahren schreckliche Dinge. Ich hatte das Glück, dass meine Mutter und mein Vater mich über alles liebten und mir erlaubten, bereits in jungen Jahren meinen künstlerischen Neigungen nachzugehen, obwohl es in unserer Familie keine Musiker gab. Dad war in St. Andrews in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war Master of Works an der St. Andrews University und verantwortlich für die Reparaturen und die Instandhaltung der Universitätsgebäude. Mum war nicht weit entfernt in Bow of Fife aufgewachsen. Sie war das älteste von vier Kindern, sie hatte zwei Schwestern und einen Bruder, und ihre Eltern betrieben einen Bauernhof in dem Weiler Pickletullum. Der Ort war so klein, dass meine Mum beim Durchfahren immer sagte: »Das ist – war – Bow of Fife.«

Im Alter von fünf Jahren erklärte ich meinem Vater, dass ich Klavierspielen lernen wolle. Darauf wurde ein Klavier angeschafft, und ich bekam in unserer kleinen Wohnung im Küstendorf Aberdour Unterricht.

Als ich sieben war, zogen wir in die frühere Hauptstadt Schottlands, Dunfermline. Dort war ich einer von zwei männlichen Balletttänzern im Verwaltungsbezirk Kingdom of Fife. Die Victory School of Dance wurde von Miriam Holroyd geleitet, einer älteren Dame, die mit Tanzunterricht in allen möglichen Stilrichtungen ihren Lebensunterhalt verdiente, während Mrs. Askew, eine kettenrauchende Rentnerin, über das Klavier gebeugt, pflichtbewusst das Repertoire anstimmte, das wir für unser Examen an der Royal Academy of Dance beherrschen mussten. Die Beziehung zwischen den beiden war definitiv eine »Vernunftehe«, aber bald schon wurde mein Körper von der Anmut und Energie des Balletttanzes davongetragen. Unter Tänzern gibt es die Redensart »Zwischen dem Sprung und der Tanzfläche befindet sich Gott«, und das spürte ich in jeder Unterrichtsstunde. Hinter ihrer nüchternen Professionalität verbarg Miss Holroyd ihre Freude darüber, mich zu unterrichten. Wir arbeiteten elf Jahre lang zusammen.

Als ich elf wurde, besuchte ich die Dunfermline High School, einen Massenbetrieb, in dem tausendachthundert Kinder abgefertigt wurden und dessen Musikabteilung bald schon zu meiner Zufluchtsstätte wurde. Wer in der Schule das geringste Zeichen von Schwäche zeigte, wurde von den anderen Schülern fertiggemacht, und die Belegschaft befand sich in einem permanenten Belagerungszustand. In einem Artikel für die Schülerzeitung über das Wohnbauprojekt J-Block mit dem Titel »J For Junk« zitierte ich einen der Lehrer mit dem Satz: »Diese Schule wurde erbaut, damit die Kinder sie systematisch zerstören.« Der Einzugsbereich der Schule reichte bis nach Rosyth Dockyard und Spam Valley, einer Neubausiedlung, die von jungen Familien bewohnt wurde; sie hatten so viel Geld in ihre Wohnungen gesteckt, dass sie sich angeblich nichts anderes als Spam-Frühstücksfleisch leisten konnten. Viele der Schüler würden vorzeitig die Schule verlassen und auf der Werft arbeiten. Ein musikalischer Junge, der Ballett tanzte, einen ungewöhnlich großen Wortschatz hatte und mit einem fremden Akzent sprach, war ein leichtes Opfer für die Schikanen der anderen. Eigentlich hätte man ein Drittel der Schüler an einem sicheren Ort unterbringen müssen, um sie vor den anderen zwei Dritteln zu schützen.

Die darstellenden Künste wurden meine Rettung.



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